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Der Ausreiseantrag

Damals, Anfang der achtziger Jahre, Vorfrühling, die 6. Unterrichtsstunde lief und auf dem Schulhof rangierten die ersten Schulbusse ein. Paul Meskat hatte sich gerade an seinen Schreibtisch gesetzt, da hörte er im Sekretariat nebenan das Telefon klingeln. Gleich darauf klingelte sein Apparat: „Bitte einschalten, der Schulrat!“, hörte er die Sekretärin sagen. Paul schaltete sich ein und an der anderen Seite der Verbindung kam man unvermittelt zur Sache. „Weißt du, was an deiner Schule los ist? Lebst du in der Lage?“ Paul sagte, dass dies bei 1250 Schülern und 80 Lehrern nicht so einfach sei. „Also nicht!“, hörte er. „Vor mir liegt ein Ausreiseantrag, weißt du was davon?“ Paul wusste nichts davon und der Antrag wurde ihm vorgelesen. Paul wartete konzentriert auf den Namen des Antragstellers und hatte dabei überhört, wohin die Ausreise gehen sollte. Er fragte nach. Da wurde es am anderen Ende laut und beleidigend. Mangelndes Klassenbewusstsein, unzureichende Wachsamkeit waren die harmlos

Damals während des Vietnamkriegs 1964

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Damals, Vietnamkrieg 1964 Das Schiff entfernte sich immer weiter von Vietnams Küste, von Da Nang im Südchinesischen Meer. Das neue Ziel hieß China, die südlichste Stadt des Landes, Ende der Welt. Paul Meskat, seit 8 Jahren Rentner, lag in seinem Liegestuhl am Bug des Schiffes und beobachtete mit halb geschlossenen Augenlidern, wie im Dunst des Abends Küstenlinie und Wasserfläche ineinander aufgingen. Die Reisetage in Vietnam waren nicht nur Besuch eines Landes; Vietnam war für Paul emotional belegt und er konnte die immer wieder aufkeimenden Erinnerungen nicht einfach beiseite schieben. In den letzten Tagen erinnerte sich Paul immer wieder an 1964 und erst jetzt schien mit dem Besuch in Saigon und Da Nang der Endpunkt einer Erinnerungskette erreicht zu sein. Wie naiv waren wir nur damals? Diese Frage stellte er sich immer wieder. Da war er wieder, der Anruf der Abteilung Volksbildung im März 1964. Zur Klärung einer Angelegenheit sollte er vorsprechen. „Wir haben entschieden, dich für

Erinnerungen: 1963 - Feuer in der Schule

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1963: Feuer in der Schule Studium als Diplomlehrer abgeschlossen, erster Einsatzort, kleine Dorfschule nahe der Bezirksstadt, „dort, wo man gebraucht wurde“. Busanschluss gibt es nicht und die Schule besteht aus 4 Klassenräumen mit 8 Klassen in zwei Dörfern. Paul Meskat hatte während des Studiums nicht gehört, dass es den Stufenunterricht noch gibt, zwei Klassenstufen gleichzeitig in einem Raum unterrichtet werden. Eine Kontrolle der Schule durch die entsprechende Abteilung Volksbildung ist seit Jahren nicht erfolgt; kein Inspektor hat sich an diese Schule verlaufen. Die Sitten waren etwas verlottert und erinnerten an trautes Schulmeisterleben irgendwo im Heidesand. Lehrer und Pfarrer waren noch anerkannte Größen. Der Bürgermeister als Staatsmacht hatte wenig zu melden. Ganz am Anfang fragte Paul Meskat mal den Schulleiter nach den Pausenzeiten und anderen Formen der Schulorganisation. „Mach einfach Pause, wenn du denkst!“ war die Antwort des leitenden Lehrers. Paul war aber mit 45 Mi

Rückerinnerung: Schulstrafe 1952

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Schulstrafe 1952 Grundschule, Winter, Schulbrot in der Klasse vergessen; zurück in den Klassenraum, Frühstücksschnitten holen. Da, im Klassenraum, ein Kreidestück auf dem Boden. Paul blickt an die Wandtafel, ein Schülermachwerk, erkennbar, ein nackter Frauenkörper mit üppigen Attributen der Weiblichkeit. Bildunterschrift: „Inge Klier“. Gedankenverloren, den Blick an der Tafel hob er das Kreidestück langsam auf und drehte es zwischen den Fingern. Die Klassenraumtür hatte sich leise geöffnet; ein Lehrer sah einen Schüler, der in der Pause im Klassenraum nichts zu suchen hatte, sah die obszönen Tafelschmiererei und Paul mit einem Kreidestück in der Hand. Eigentlich war alles klar, der Missetäter war überführt. Leugnen zwecklos! Ganz großes Vergehen! Am nächsten Tag hatte Paul mit seiner alleinerziehenden Mutter zum Pädagogischen Rat der Lehrer zu erscheinen. Die Verworfenheit der Kinder im allgemeinen und speziellen Fall wurden ausführlich beleuchtet. Paul war in andern Zusammenhängen sc

Rückerinnerung: Schuleinführung 1945

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Rückerinnerung: Zeitenwende - Kriegsende 1945 in Thüringen Das Kriegsende erlebte ich als fünfjähriges Kind in einem Ortsteil von So... in Thüringen. Im Januar 45 fand unsere Flucht - Mutter, Oma, Schwester - aus dem Gebiet östlich der Oder in Thüringen ihr Ende. Durch viele Anzeichen wurde auch mir als Kind das nahende Kriegsende bewusst. Die Flugzeuge der Amerikaner und Engländer überflogen in riesigen Pulks immer häufige in großer Höhe den Ort. Immer öfter wurden die Tage und Nächte aus Angst vor Luftangriffen im Keller oder in den umliegenden Wäldern verbracht. Ich erinnere mich, wie des Nachts am Horizont der Feuerschein der brennenden Städte No … und So … zu sehen waren. Besonders gefährlich waren die Bomber, die nach dem Angriff ihre restlichen Sprengkörper ziellos auf dem Rückflug abwarfen. Deutsche Soldaten flüchteten vor den nahenden Amerikanern und warfen Waffen, Ausrüstungsgegenstände und Munition weg. Gefährliche Spielgeräte für uns Kinder! In der ersten Aprilhälfte sah i